Maßnahmenvollzug in Österreich – Wenn Therapie zur Strafe wird
Vor wenigen Tagen berichteten wir über den Suizidversuch eines Insassen der Justizanstalt Graz-Karlau. Der Mann, untergebracht im sogenannten „therapeutischen forensischen Zentrum“, überlebte – doch seitdem hat sich seine Situation weiter dramatisch verschlechtert. Laut Informationen, die Inmates Shelter vorliegen, lehnt er inzwischen jegliche weiteren lebenserhaltenden Maßnahmen ab. Er wird in einem "Absonderungs-Haftraum" verwahrt. Ein Haftraum ohne ordentliche Tische und Stühle. Es gibt keinen Hofgang und selbst das Duschen ist deutlich erschwert. Er wird also isoliert, anstatt ihm die dringend notwendige Hilfe zuteilkommen zu lassen.
Seiner Mutter wurde unterdessen jeder Besuch verweigert. Sämtliche Termine, die zuvor genehmigt waren, wurden kurzfristig abgesagt – ohne nachvollziehbare Begründung. Sie steht nun vor verschlossenen Türen, während ihr Sohn hinter Gittern um das letzte Stück Selbstbestimmung kämpft.
Was sich hier zeigt, ist kein Einzelfall. Es ist symptomatisch für den Zustand des österreichischen Maßnahmenvollzugs – ein System, das eigentlich „Therapie statt Strafe“ verspricht, in der Praxis jedoch oft das Gegenteil bewirkt. Überfüllte Einrichtungen, fehlendes therapeutisches Personal, jahrelange Unterbringung ohne adäquate Behandlung: Die Realität ist geprägt von Stillstand, Hoffnungslosigkeit und einer systematischen Entmenschlichung, die kaum mit den Grundsätzen eines Rechtsstaats vereinbar ist.
Ein forensisches Zentrum sollte ein Ort der Behandlung sein – nicht der Verwahrung. Doch in Wahrheit sind viele dieser Einrichtungen längst zu verlängerten Haftanstalten geworden, in denen Therapie nur auf dem Papier existiert. Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Traumafolgen werden dort häufig nicht behandelt, sondern isoliert, mit harten Psychopharmaka ruhiggestellt und vergessen.
„Man misst den Grad der Zivilisation einer Gesellschaft danach, wie sie ihre Gefangenen behandelt.“ – Fjodor M. Dostojewski
Diese Worte sind aktueller denn je. Der österreichische Maßnahmenvollzug steht an einem Punkt, an dem Reformen nicht mehr nur notwendig, sondern längst überfällig sind. Es geht hier nicht um Nachsicht gegenüber Straftätern, sondern um die Einhaltung jener Prinzipien, auf die sich jede moderne Gesellschaft beruft: Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit.
Inmates Shelter wird in den kommenden Tagen weitere Fälle dokumentieren und veröffentlichen. Unser Ziel ist klar: Missstände sichtbar machen, Stimmen hörbar machen und Veränderung erzwingen.
(is)










